Ausgehend von der örtlichen Situation in der Ruine Resafa ist schon früh deutlich geworden, dass die am Gebäudebestand ablesbaren Erdbebenschäden einer gesonderten Betrachtung bedürfen. Da in der imposanten Ruine nur sehr wenige Inschriften zu fassen sind, stellte sich die Frage, ob die relativ-chronologisch ablesbare Abfolge von Erdbebenschäden und Instandsetzungsmaßnahmen in Beziehung gesetzt werden können zu datierten Erdbeben der Region. Hierzu gab es immer wieder vereinzelte Aussagen in der Literatur, bislang fehlt jedoch eine systematische Auseinandersetzung.

Research

Resafa, Zentralbau (M. Gussone 2006)

Resafa, Zentralbau | Foto: M. Gussone 2006

Zunächst wurde anhand der Significant Earthquake Database 2150 BC to Present (NOAA) eine Liste der historischen Erdbeben in einem Umkreis von 300 km um Resafa generiert. Die Zusammenstellung umfasst einige rekonstruierte seismische Daten und die Datensätze sind verlinkt mit Quellen der Sekundärliteratur. Diese musste im einzelnen geprüft werden, um heute überholte bzw. hinfällige Arbeiten auszuklammern. Um nachvollziehbare Verweise auf Primärquellen (antike Texte, Inschriften) darzustellen, wurde die NOAA Liste mit vier weiteren gedruckten Kompilierungsarbeiten zu Erdbeben des östlichen Mittelmeerraums und Syriens (Guidoboni – Comastri – Traiana 1994; Guidoboni – A. Comastri 2005; Sbeinati – Darawcheh – Mouty 2005; Ambraseys 2009) abgeglichen und ergänzt. Die so ermittelten historischen Erdbeben des engeren Zeitraums 525 v. Chr.–1500 n. Chr. wurden kartiert, wenngleich die Epizentren für die Zeiten vor der Erfassung der Erdbeben durch Messinstrumente naturgemäß nur annäherungsweise verortet werden können. Qualitativ überprüfen lässt sich die Verbreitungszone der Beben anhand der in modernen Zeiten instrumentell aufgezeichneten Erdbeben. Deshalb wird die Karte der historischen Beben überlagert mit einer Darstellung sämtlicher (Zeitraum 1918–2018) in der Datenbank des International Seismological Centre (ISC) erfassten Erdbeben.

Ergebnisse

Beide Verbreitungskarten, modern-instrumentell erfasster sowie antik überlieferter Beben offenbaren, dass Resafa selbst in einer Zone liegt, in der nur gelegentlich die Erde bebt. In der Karte der historischen Beben bleibt ein Umkreis von 70 km völlig leer von historisch bezeugten Beben. Das einzige direkt in Resafa verortete Erdbebenereignis (8. Jh., Intensität VII-VIII; Sbeinati – Darawcheh – Mouty 2005, 387) verdeutlicht die Gefahr des Ringschlusses solcher Listen: die Archäologen vermuten zu einer gewissen Zeit ein Erdbeben, welches dann Einzug erhält in vermeintlich quellengesicherte Listen und diese Liste dient anderen Forschern wiederum zur Datierung weiterer Schäden. Dennoch muss es Erdbeben im engeren Radius um Resafa gegeben haben. In der modernen ISC-Karte finden wir etwa ein Duzend seismologisch registrierter Ereignisse von schwacher bis mittlerer Intensität in einem Umkreis von 50–100 km von Resafa. Sie gehören zu den Aktivitäten entlang der knapp südlich von Resafa von südwest nach nordost verlaufenden Deformationszone der Palmyriden und der nahezu senkrecht dazu orientierten Verwerfungslinie entlang der Euphratsenke. Es sind dies tektonisch aktive Zonen am südlichen Rand der bekannteren Reibungsgrenze zwischen Arabischer und Türkischer bzw. Eurasischer Platte.

Eine Datierung der großen Schadensbilder in Resafa (insb. der Zerstörung der Basilika B, des Zentralbaus und der sukzessiven Schäden an der Basilika A) ist anhand der Listen der historischen Erdbeben nicht möglich. Wir müssen davon ausgehen, dass der karstige und von Hohlräumen durchsetzte Baugrund auch nach kleineren lokalen Beben im Gebiet der Wüstensteppe, die kein Schreiber festhielt, nachgeben konnte und schwere bauliche Schäden verursachte.

Die kompilierte Liste der Erdbeben wird dennoch als Forschungsgrundlage für zukünftige Untersuchungen am Ort und in der Region dienen können, insbesondere wenn zusätzliche datierende Befunde den Schäden zugewiesen werden können.

 


Literatur

National Geophysical Data Center / World Data Service (NGDC/WDS): NCEI/WDS Global Significant Earthquake Database. NOAA National Centers for Environmental Information. doi:10.7289/V5TD9V7K (letzter Zugriff: 29.04.2019)http://www.isc.ac.uk/iscbulletin/search/bulletin/ (letzter Zugriff: 29.04.2019)

N. N. Ambraseys, Earthquakes in the Mediterranean and Middle East: A Multidisciplinary Study of Seismicity up to 1900 (Cambridge 2009)
E. Guidoboni – A. Comastri – G. Traiana, Catalogue of Ancient Earthquakes in the Mediterranean area up to the 10th Century (Rom 1994)

E. Guidoboni – A. Comastri, Catalogue of Earthquakes and Tsunamis in the Mediterranean Area from the 11th to the 15th Century (Rom 2005)

M. R. Sbeinati – R. Darawcheh – M. Mouty, The Historical Earthquakes of Syria. An Analysis of Large and Moderate Earthquakes from 1365 B.C. to 1900 A.D., Annals of Geophysics 48,3, 2005, 347–435