Platon gilt gemeinhin nicht als Freund von Bildern: Gleich dreifach stehen sie, wie die populäre Kritik im X. Buch der Politeia schreibt, von der Wahrheit entfernt. Ich möchte in diesem Vortrag argumentieren, dass das Bild bei Platon keineswegs pures Nichtwissen oder schlichte Meinung im Sinne der doxa verkörpert. Vielmehr kann das Bild selbst für Wissen stehen, indem nur derjenige Bilder als Bilder sehen kann, der im Besitz von Wissen im Sinne der episteme ist. Das Verhältnis von Bild und Wissen wird von Platon (neben ontologischen Implikationen) als ein in mehreren Facetten räumliches Verhältnis begriffen und expliziert.
Platon unterscheidet im Sophistes zwischen dem eikon, als erstrebenswertem Ebenbild, und dem phantasma, als illusionärem Trugbild. Diese Differenzierung vollzieht sich an Hand räumlicher Kategorien: Distanz, Dimension und Standort im Raum. Bezüglich der Distanz betont Platon metaphorisch, wie auch ganz buchstäblich, die notwendige Nähe für die Verifikation des eikon. Wie der Unwissende weit entfernt von der Wahrheit steht, so kann auch das phantasma nur aus der Ferne wirken. Erst aus der Nähe ist die Wahrhaftigkeit der vorgestellten Dimension überprüfbar und eine mögliche Illusion aufzudecken. Auch in Platons Höhlengleichnis – in den Worten der Ausschreibung ein expliziter “Nicht-Wissensraum” – fehlt den Gefangenen die Einsicht in diese Dimension der Bilder: Von Geburt an gefesselt und den Kopf starr geradeaus gerichtet, mangelt es ihnen schlicht an der Kenntnis einer dritten Dimension überhaupt. Zur Identifikation der Schatten als Schatten fehlt ihnen die Möglichkeit des räumlichen Umgangs. Ähnliches formuliert Platon bezüglich des Standpunktes im Raum: Ein Bild, das auf einen einzigen, bestimmten Standpunkt des Betrachters im Raum und damit auf eine Einansichtigkeit hin vorausberechnet ist, steht ebenfalls auf der Seite der phantasmata: Wenn die “Richtigkeit” des Bildes von einem kontingenten Standpunkt abhängt, ist dies für Platon, der unter Wissen die Schau ewiger, unabänderlicher und überindividueller Ideen versteht, ein augenscheinlicher Schritt in die falsche Richtung.
Dieser Vortrag schlägt also vor, an mehreren Momenten das wechselseitige Verhältnis von Raum und Wissen am Beispiel des platonischen Bildbegriffs nachzuzeichnen. Hierbei soll – und darauf zielt die tautologische Formulierung des Titels – die im Bildbegriff selbst grundgelegte Aspekthaftigkeit als verbindendes äußeres Element der einzelnen Facetten auftreten: Das Bild muss, um auf die Seite der Wahrheit zu weisen, selbst aspekthaft bleiben. Sein Bildsein liegt in wesentlicher Beschränkung und Enthaltung von illusionärer Ganzheitlichkeit. Wenn man also, mit anderen Worten, die Bilder aus der Perspektive von Raum und Wissen betrachtet, so ist für Platon der Umgang mit Raum im Bezug auf das Bild symptomatisch für die allgemeine, wie individuelle Einstellung zum Wissen.