Eine römische Provinz erscheint auf Karten des Imperium Romanum als ein geographisch bestimmbarer Raum. Dringt man jedoch von dem Container “Provinz” zu einem topographischen Lebensraum vor, wird man mit vielfältigen Raum- und Wissensbildungen konfrontiert. Erst wenn man diese differenziert ist es möglich, sinnvolle Grenzen für seinen eigenen Fragestellungen zu definieren.
So kann man nach folgenden Wissensfaktoren bezüglich einer Raumentwicklung in der Antike fragen:

  • Wie und in welchen Gebieten entstand eine Provinz? Wie wurde sie konstituiert?
  • Was für ein Wissen entstand für die Bewohner aus dem Raum “Provinz”, in dem sie lebten? Handelte es sich lediglich um eine verwaltungspolitische Einheit oder gab es ein Raum-Zugehörigkeitsgefühls, eine “Provinzidentität”?
  • Was wurde aus dem Raum Provinz und um das Wissen über ihn nach dem Ende des Römischen Reichs?

Um diese Fragen beantworten zu können, führt der/die Altertumsforscher/in einerseits Untersuchungen durch, die durch die heutigen topographischen Situationen des ehemaligen Provinzraumes determiniert sind. Andererseits greift er/sie auf Wissensbestände zu(rück), die ihrerseits aus dem Raumgefüge “Provinz” generiert wurden. Diese lassen sich unter dem Schlagwort “Forschungsgeschichte” zusammenfassen. Altertumswissenschaftliche Projekte sind damals wie heute Wissens- und Raumgrenzen unterworfen. Es handelt sich um Faktoren wie moderne Staats- oder Verwaltungsgrenzen, die Vergabe von Grabungslizenzen, Zugänglichkeit von Depots und Archiven, der Beherrschung von Sprachen oder auch Witterungen oder Finanzierung. Das heutige Wissen um die antike Provinz ist also vom ihrem heutigen Raum abhängig. Nur durch die genannten Filter kann dieses Raumwissen wieder Wissensräume in Form von Ausstellungen, Tagungen oder Publikationen konstruieren.
Die genannten validen Größen verhalten sich reziprok. Einerseits ist das Raumgefüge “Provinz” ein Rahmen zur Wissenserzeugung über sich selbst. Andererseits konstituiert sich der Raum “Provinz” (retrospektiv) aus seinen Wissensspeichern. Um die genannten Fragen und die dargelegte komplexe Wechselseitigkeit handhabbar zu machen, werde ich in meinem Vortrag auf dem Workshop “Raumwissen – Wissensräume” die genannten Parameter am Beispiel der römischen Provinz Epirus durchexerzieren.